Das Krankheitsbild aus Sicht der Chinesischen Medizin (TCM)

Schmerzerkrankungen

Schmerzdiagnostik

Schmerz und Akupunktur

In den frühen 70er Jahren des letzten Jahrhunderts machten Filmaufnahmen aus China im Westen Furore, die Operationen unter "Akupunktur-Narkose" zeigten. Damals hat sich in den Köpfen hierzulande die Meinung festgesetzt, Akupunktur sei dazu da, um Schmerzen auszuschalten. Diese Meinung muss in zweierlei Hinsicht korrigiert werden: Erstens kann die Akupunktur wesentlich mehr, als Schmerzen lindern, und zweitens ist die Vorstellung, Schmerzen auszuschalten, ein ganz unchinesischer Gedanke. Schmerz wird in der chinesischen Medizin zunächst einmal als Signal ernst genommen, das uns diagnostische Informationen über Störungen im Inneren des Menschen liefert, Informationen, die auf anderem Wege oft gar nicht zu gewinnen sind.

Schmerz als Signal

Dass die Schmerzempfindung wichtige Botschaften liefert, die den Menschen warnen, schützen und zu Verhaltensänderungen veranlassen sollen, liegt auf der Hand. Beispiele sind der Fluchtreflex bei Berührung einer heißen Herdplatte, wie auch die Schmerzen in Gelenkkapseln und Bändern, die dem Sportler sagen: bis hierher und nicht weiter!
Wie nützlich dieses Symptom sein kann, erleben wir bei Menschen, die das Warnsignal Schmerz nicht mehr wahrnehmen können, wie z.B. Patienten mit Polyneuropathie. Sie werden leicht zum Opfer von Herdplatten, weil ihre Sensibilität gestört ist. Ähnlich geht es Leistungssportlern, die es sich antrainiert haben, die Warnsignale ihres Körpers zu ignorieren, und die deshalb leicht die Grenzen ihrer Belastbarkeit überschreiten.
Bei manchen Krankheiten wünschte man sich geradezu, dass sie Schmerzen verursachen, damit die Menschen gewarnt werden, so etwa im Frühstadium von Krebs oder bei Bluthochdruck. Bisweilen gibt es auch den heilsamen Schmerz unter der Therapie. Er zeigt an, dass der Körper einen leblosen, abgespaltenen Bereich wieder in Besitz nimmt.
Was diese Beispiele zeigen sollen? Als Patient hat man natürlicherweise ein reines Negationsverhältnis zum Schmerz: Der Schmerz soll weg. Der Therapeut sollte dagegen einen kühlen Kopf bewahren. Er hat die Verpflichtung, sich auch um die Hintergründe der Schmerzen zu kümmern.

Schmerz in der TCM-Diagnostik

Für die TCM ist jeder Schmerz im Kern eine Qi-Blockade. Das bedeutet: Der natürliche "Energie"-Fluss ist unterbrochen, der Körper kämpft darum, die energetische Engstelle wieder durchlässig zu machen. Dieser Kampf tritt als Schmerz ins Bewusstsein. Welche Störfaktoren für die Blockade verantwortlich sind und wie der Körper seine Gegenmaßnahmen organisiert, darüber liefern Schmerzqualität und Schmerz-Ort erste diagnostische Hinweise. Als Beispiel für solche Störfaktoren seien die "überfordernden Witterungseinflüsse" genannt, die in der chinesischen Krankheitslehre eine zentrale Rolle spielen. Folgende Zuordnungen haben sich in der Praxis besonders bewährt: Plötzlich einschießender, stechender oder nach Ort und Intensität wechselnder Schmerz verweist auf "Wind" als Urheber der Beschwerden; dumpfer, lähmender Schmerz auf "Feuchtigkeit"; brutaler, schneidender Schmerz auf "Kälte"-Blockaden.
Derartige Zuordnungen sind natürlich nur Mosaiksteine der Diagnostik; erst in Kombination mit Anamnese, Puls und Zungenbefund ergeben sie ein diagnostisches Bild, das zur Therapie führt.
Alle Qi-Blockaden haben eine Geschichte, machen eine Entwicklung durch. Diese Entwicklung kann andere Qualitäten als die zu Beginn maßgeblichen hervorbringen: Wenn die Blockade des Lebensflusses zur Anhäufung von Schlacken führt, entsteht eine Feuchtigkeitsstörung, wenn die Energien sich an der Barriere heiß laufen, entsteht Hitze. Wenn die Energien so abgebremst oder abgelöscht werden, dass nicht mehr genügend Lebenswärme gebildet wird, entsteht eine Kälte.
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